Der Anteil der aus den Fachabteilungen lancierten ICT-Projekte hat in den vergangenen Jahren laufend zugelegt. Wie unsere Studienarbeiten im ersten Quartal zeigten, liegt der Anteil mittlerweile bei durchschnittlich 60% der ICT-Projekte eines Unternehmens. Und so ist auch in diesem Bereich ein eigentlicher "Big Shift" im Gange: die fundamentale Verschiebung bislang traditioneller Gegebenheiten im Bereich der ICT-Projekt-Themen: das Business bestimmt und lanciert die Mehrheit.
Die ICT ist heute der zentrale Nerv eines Unternehmens und das Rückgrat der Wertschöpfung. Ohne die tief in die Prozesse, Organisation, Infrastruktur und Logistik eines Unternehmens eingebettete ICT steht das Unternehmen still, sie ist die Basis für den wirtschaftlichen Erfolg. Diese Basis aber ist herausgefordert, mit sich ständig wandelnden Businessgegebenheiten und hohen Taktraten innovativer Veränderungen Schritt zu halten und klarzukommen. Verständlich, dass die Fachabteilungen in den Unternehmen sich der Bedeutung des ICT-Einsatzes und Rolle für die Wertschöpfung bewusst sind und gegenüber ihrer ICT nach schneller Umsetzung innovativer und wettbewerbsdifferenzierender Ideen, Geschäftsprozesse und Businessmodelle verlangen. Dies zum Beispiel in den Bereichen Digital Marketing, Virtual oder Augmented Reality, künstliche Intelligenz oder auch mit Blick auf eine rasche Implementierung und Integration neuer Cloud-Lösungen u.a. in den Bereichen CRM, ECM, Analytics, Workplace, Kommunikation und Zusammenarbeit.
Diese ganze Entwicklung hinsichtlich der Entscheidungsfindung und Lancierung neuer Projekte hat auch einen grossen Einfluss auf die Wahl der entsprechenden ICT-Partner. Die zunehmend digitalisierte Welt entlang vertikaler und horizontaler Wertschöpfungsketten bedingt eine neue Generation von Partnern: nicht mehr ausschliesslich fokussiert auf die ICT und deren Belange, sondern als kompetenter und innovativer Businesspartner. Für Anbieter steht eine Zeitenwende an, die digitale Transformation und die neuen, disruptiven Geschäftsmodelle verlangen seitens der Anbieter nach fundiertem Wissen in Strategiefragen und ausgewiesener Expertise im Bereich neuer, digitaler Geschäftsmodelle: mit dem Kopf in der Digitalisierungs- und Businesswolke und einer starken Haftung auf dem Boden der ICT.
Diesen Trend bestätigen auch die Resultate unserer neuen Studienarbeit zum Thema "Erfolgsfaktoren für ICT-Dienstleister": mehr als 80% der Befragten gaben zur Antwort, dass das Business Know-how (Digitale Businessmodelle, Strategiefragen etc) eines Dienstleisters zu den wichtigsten Entscheidungskriterien bei der Auswahl eines ICT-Services Partners zählt.
Aber auch ICT-Abteilungen stellt diese Entwicklung vor hohe Herausforderungen. Eigene Initiativen seitens der Fachabteilungen sind per se ja nicht verwerflich und fördern den innovativen Einsatz der ICT. Wenn eine Projektumsetzung allerdings im Alleingang und ohne Abstimmung und Koordination mit der eigenen ICT-Abteilung geschieht, kann dies oft längerfristig mehr Probleme schaffen, als es auf den ersten Blick zu lösen vermag. Schnittstellenprobleme, Sicherheitsrisiken und fehlende Abstimmung sind die primären Probleme einer sog. Schatten-ICT, geschaffen durch die Autonomiebestrebungen der Fachabteilungen.
Dieser Entwicklung haben so manche Unternehmen den Kampf angesagt. Standardisierung und Abbau der Komplexität heisst zwar das Credo vieler Unternehmen auf dem Weg zu einer überwiegend homogenen und auch finanzierbaren ICT. Trotzdem sollten dezentrale Initiativen, Ideen und letztlich praktische Projekte nicht grundsätzlich unterbunden werden, sondern gemeinsam angegangen und erfolgreich umgesetzt werden. So wenig Silos im Sinne der ICT-Strategie wie möglich, aber so viel wie fürs Business nötig.
Publikation Artikel: Mai 2022 Autor: Philipp A. Ziegler, CEO, MSM Research AG